Wollverarbeitung: Vom Schaf zum Pullover

Jeder kennt Schafe und jeder hat schon mal einen Pullover getragen. Wie weit und anstrengend der Weg vom Schaf über das Wolle spinnen zum fertigen Pullover ist, weiß dagegen kaum jemand. Ich hab die Wollverarbeitung mal ausprobiert, zumindest ein Stück weit …

Natürlich geht’s in der Industrie viel schneller und sauberer, aber ich wollte schon immer gerne wissen, wie die Dinge funktionieren. Die ungewaschene Schafwolle habe ich recht „günstig“ in einem Tauschgeschäft erstanden, so waren keine großen Investitionen erforderlich. Wenn Du gerne experimentierst (und einen Garten hast!), dann probier die Wollverarbeitung vom Schaf zum Pullover ruhig einmal aus!

Schritt 1: Die Schur, damit beginnt die Wollverarbeitung

Im Mai oder Juni werden die Schafe geschoren. Diesen Teil der Wollverarbeitung kenne ich nur in der Theorie (wie schade!), das Ergebnis jedoch ziemlich gut. Das, was bei der Schur vom Schaf geschnitten wird, nennt die Fachwelt Rohwolle oder Vlies (= zusammenhängende Wolle). Im Idealfall ist diese Wolle relativ sauber. Das ist leider nicht immer der Fall.

Saubere Rohwolle

Schritt 2: Sortieren – Mann oh Mann, so viel Dreck!

Manche Schafhalter verkaufen die Wolle ihrer Schafe als einzelne Vliese. Du bekommst dann immer die Wolle eines einzelnen Schafes, kannst natürlich auch mehrere Vliese kaufen. Je nach Halter ist das Vlies „direkt vom Schaf“, also mit (manchmal relativ viel) Dreck oder schon etwas vorsortiert. Auch wenn die vorsortierte Wolle etwas teurer ist, rate ich definitiv dazu! Arg verschmutzte Partien mit Kot oder sehr vielen Pflanzenfasern sind sowieso nur als Kompost oder zum Mulchen zu gebrauchen. Hast Du dafür keine Verwendung, dann verzichte gleich darauf, Wolle „direkt vom Schaf“ zu kaufen. Achte zumindest auf eine gute Vorsortierung oder nimm eventuell gleich gewaschene Wolle. Deine Nase und Deine Mitmenschen werden es Dir danken!

Schritt 3: Die Rohwolle waschen

Möchtest Du Rohwolle waschen, dann empfehle ich Dir, dies draußen im Garten zu tun. Die Arbeit ist mehr oder weniger anstrengend, nass, schmutzig und definitiv nicht geruchlos. Ich mag zwar den „Duft“ vom Schaf, brauche ihn aber nicht in der ganzen Wohnung. Mein Familie erst recht nicht 😉

Auch vorsortierte Wolle ist nicht ganz sauber. Ein wenig Arbeit bleibt Dir sicher noch übrig. Je mehr Du jetzt aussortierst, desto leichter lässt sich die Wolle waschen. Achte unbedingt darauf, ALLE Kotreste zu entfernen, das erspart Dir mindestens einen Wasch- oder Spülgang. Heu und Stroh lässt sich aus dem rohen Vlies auch leichter entfernen als aus der nassen Wolle.

Hast Du Deine Wolle gründlich vorsortiert, dann ist der Berg sicher schon ein wenig geschrumpft. Der „Abfall“ kannst Du im Garten verwenden (siehe oben), die Wolle verrottet jedoch nur langsam.

Jetzt geht es endlich ans Waschen! Pack die Wolle in nicht zu großen Portionen in eine Wäschewanne und begieße sie mit Regenwasser (ist günstiger, in der Regel kalkfrei und definitiv „sauber“ genug!). Bewege die Wolle vorsichtig im Wasser und staune über den Dreck, der sich jetzt schon löst.

Hat sich genügend Dreck gelöst, dann wechsle das Wasser. Drück die Wolle vorsichtig aus, damit möglich viel Schmutz(wasser) herauskommt, bevor Du frisches Regenwasser in die Wanne gibst. Stark verschmutzte Wolle kannst Du einige Stunden oder auch über Nacht einweichen lassen.

Im zweiten, dritten (oder vierten …) Spülgang gibst Du etwas Wollwaschmittel in die Wanne. Jetzt kannst Du das Spülwasser auch ein wenig erwärmen. Bewege die Wolle vorsichtig in dem Wasser, lass sie ein wenig einweichen, gieß das Wasser ab und drück die Wolle vorsichtig aus. Du wirst sicher mehrere Waschgänge benötigen, bis Deine Wolle sauber ist. Abschließend spülst Du die Wolle (eventuell mehrmals) mit klarem Wasser ohne Spülmittel. Wenn das Spülwasser (endlich!) sauber ist, dann darf die Wolle trocknen.

Schritt 4: Die Wolle trocknen

Denk ja nicht, dass der Rest der Arbeit jetzt das reine Vergnügen wird! Du darfst/musst jetzt die saubere Wolle gründlich ausdrücken, um so viel Wasser wie möglich zu entfernen. Auswringen ist nicht erlaubt! Es gibt glücklicherweise Hilfsmittel, die Deine Armmuskeln schonen: Kartoffel- oder Gemüsesäcke, Obst- und Gemüsekisten, Wäscheständer und Wäscheschleudern.

Du kannst die Wolle in die Säcke packen und draußen aufhängen, bis kein Wasser mehr heraustropft. Dann verteilst Du die Wolle locker und in dünnen Schichten auf einem Wäscheständer oder diversen Obst- und Gemüsekisten (solche, die so viele Löcher haben, dass sie eher einem Korb gleichen).

Unter mehrmals täglichem Wenden trocknest Du darauf die Wolle an einem luftigen Platz, aber nicht unbedingt in der prallen Sonne. Das kann durchaus zwei oder drei Tage dauern. Trocknest Du die Wolle draußen, dann hol sie über Nacht am besten ins Haus, sonst ist sie am Morgen vom Tau wieder deutlich feuchter.

Für diesen Arbeitsgang habe ich mir tatsächlich eine uralte Wäscheschleuder gekauft. Meine Waschmaschine ist mir dafür nämlich zu schade und das Antrocknen großer Mengen in Säcken dauert gefühlt ewig. Natürlich lasse ich die Wolle anschließend noch locker ausgelegt nachtrocknen.

Schritt 5: Kardieren

Jetzt wird es wieder anstrengend, die Wolle soll ja schön fluffig werden, damit sie leicht zu spinnen ist. Zuerst lockerst Du sie mit den Händen etwas auf. Zupfe sie ein wenig auseinander und kardiere sie dann. Das kannst Du mit sogenannten Handkarden machen oder auch mit einer Kardiermaschine.

Durch das Kardieren bringst Du die einzelnen losen oder verhedderten Fäden Deiner Wollbüschel in eine mehr oder weniger parallele Ordnung. Die Wolle fühlt sich glatter und weicher an. Du kannst das Kardieren in etwa mit dem Kämmen Deiner Haare vergleichen.

Beim Kardieren „ordnest“ Du die Wolle aber nicht nur, Du entfernst damit auch gleichzeitig einige Staubpartikel und Einstreureste. Die Wolle wird also noch etwas sauberer. Dieser Arbeitsgang ist recht mühsam, vor allem, wenn Du mit Handkarden arbeitest. Zum Ausprobieren ist das okay.

Solltest Du öfter Wolle kardieren wollen, dann empfehle ich Dir den Kauf einer Kardiermaschine. Damit erleichterst Du Dir die Arbeit erheblich. Es muss ja nicht gleich eine elektrische Kardiermaschine sein, obwohl die natürlich ihren Reiz hat – und ihren Preis 😉

Schritt 6: Wolle spinnen – endlich entspannen!

Ist die Wolle gut kardiert, beginnt jetzt endlich das Vergnügen und der angenehmste Teil der Wollverarbeitung! Du darfst nun ganz entspannt die Wolle verspinnen. Setz Dich hin und genieße die Zeit! Ob Du mit der Spindel oder dem Spinnrad spinnst, ist für die Qualität der Wolle unerheblich. Hast Du noch nie gesponnen, dann probier einfach beides mal aus. Es gibt kein besser oder schlechter. Manche SpinnerInnen nutzen beide Techniken: zu Hause das Spinnrad und unterwegs oder zwischendurch die Spindel.

Es ist „egal“, ob Du dicke oder dünne Fäden spinnst, auch unregelmäßiges Garn lässt sich später gut verstricken. Ist halt Artyarn (Künstlergarn), andere Menschen bezahlen viel Geld dafür ;-). Wichtig ist nur, dass das Garn zu Deinem späteren Strickprojekt passt, oder dass Du ein Projekt passend zu Deinem Garn aussuchst. Hat das Garn eine einigermaßen gleichbleibende Stärke, dann lässt es sich jedoch leichter verstricken. Mit der Zeit geht das ganz automatisch: Kopf aus und Wolle spinnen!

Schritt 7: Verzwirnen – Endspurt!

Dieser Schritt ist nicht zwingend nötig, denn auch ein „Single“ (einfach gesponnener, unverzwirnter Faden) lässt sich verstricken. Dazu sollte der Faden jedoch dick und stabil genug sein, sonst wird es kompliziert. In der Regel ist nach dem Wolle spinnen also das Verzwirnen angesagt. Aus zwei, drei oder vier Fäden entsteht so das fertige Garn. Die verschiedenen Techniken des Verzwirnens lernst Du am besten in einem Kurs, durch Bücher oder Videos.

Schritt 8: Haspeln

Du hast einen Faden, die Wollverarbeitung ist aber noch nicht abgeschlossen. Das Garn befindet sich noch auf der Spindel oder Spule. Da muss es jetzt runter und zum Strang gewickelt werden. Am besten geht das natürlich mit einer Haspel, aber ein umgedrehter Hocker funktioniert auch gut. Wichtig ist, dass das Garn „Luft“ hat, also nicht gleich zu einem festen Knäuel gewickelt wird.

Warum ist das wichtig? Der Mensch ist keine Maschine, Du auch nicht. Also hast Du vermutlich (= ganz sicher) nicht immer mit dem gleichen Drall gesponnen und verzwirnt. Das ist normal und überhaupt nicht schlimm. Jetzt gibst Du dem Garn ja die Möglichkeit, diesen „Fehler“ allein zu beheben. Ein Strang ist locker, so kann sich Dein Garn ein wenig entspannen, der Drall gleicht sich etwas aus. Der nächste Arbeitsschritt hilft diesbezüglich noch ein wenig nach.

Schritt 9: Entspannungsbad – für wen?

Boah, das Garn ist fertig, die Wollverarbeitung abgeschlossen! Jetzt schnell die Stricknadeln rausholen und losstricken? Stopp! Ist zwar möglich, aber es geht besser: Gönn dem Garn ein sanftes Entspannungsbad! Und Dir vielleicht auch 😉

Was das bringt? Dein Garn wird weicher und flauschiger, aber auch ein bisschen kürzer (ca. fünf bis zehn Prozent). Verzichtest Du auf das Entspannungsbad, dann passiert das Gleiche bei der ersten Wäsche Deines Pullovers: Er läuft etwas ein, er wird „dicker“ und fester, da die Fäden durch das Verstricken nicht mehr so gut aufbauschen können.

Für eine gute Passform ist das Entspannungsbad also sehr wichtig. Eventuell benötigst Du nun etwas dickere Stricknadeln, als für das ungebadete Garn, im Gegenzug wird Dein Pullover aber auch weicher und kuscheliger. Außerdem bleibt er auch später noch besser in Form.

Wie sollte das Entspannungsbad aussehen? Mäßig warm (30 °C bis maximal 40 °C) und mit einem „Schuss“ Wollwaschmittel versehen. Leg Deine Wollstränge in das warme Wasser und tauche sie vorsichtig unter. Bewege die Wolle aber nicht unnötig viel! Nun lässt Du sie einfach im Wasser liegen, bis dieses abgekühlt ist. Das kann einige Stunden dauern. Du kannst die Wolle auch einfach über Nacht im Entspannungsbad liegen lassen. Anschließend spülst Du sie in handwarmem Wasser vorsichtig aus.

Schritt 10: mal wieder trocknen

Natürlich muss die Wolle jetzt erst mal wieder trocknen. Drück die Stränge vorsichtig aus, anschließend kannst Du sie aufhängen oder auch VORSICHTIG schleudern. Achte darauf, dass das Garn nicht zu lange zum Trocknen braucht, sonst könnte es leicht muffig riechen. Einen hängenden Strang kannst Du durchaus zwischendurch immer mal wieder ausdrücken.

Was Du unbedingt vermeiden solltest, ist AUSWRINGEN! Damit kannst Du Dir Dein ganzes mühsam gefertigtes Garn zerstören. Ist das Garn wieder trocken, dann hast Du die Wollverarbeitung praktisch abgeschlossen. So, nun geht es endlich an die Nadeln!

Selbst gefärbte (leider nicht selbst gesponnene) Sockenwolle, zum Trocknen aufgehängt

Schritt 11: das Schönste an der Wollverarbeitung – STRICKEN!

Das Vergnügen, selbst gesponnene Wolle zu verstricken, ist unbeschreiblich! Vielleicht ist es nicht so ebenmäßig wie gekauftes Garn, aber Du weißt, wie viel Arbeit darin steckt. Such Dir ein schönes Projekt aus und fang einfach an. Ich wünsche Dir viel Spaß beim Stricken!

PS: Ich weiß, dass in diesem Artikel noch viele Bilder fehlen. Leider habe ich das Fotografieren während der Arbeiten versäumt, werde mich aber bemühen, Illustrationen „nachzureichen“.


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